Die vom Familienrecht regulierten Näheverhältnisse (Ehe, Partnerschaft, Verwandtschaft) und Fürsorgeverhältnisse (elterliche Sorge, Vormundschaft, Betreuung, Pflegschaft) besitzen in vielen Kulturen außerrechtliche Vorprägungen, denen ein Familienrecht entsprechen oder widersprechen kann.
Anhand drei konkreter Anwendungsfälle – die religiöse Kindererziehung, die obligatorische Zivilehe und familiäre Lebensformen jenseits der Ehe – wird untersucht, wie sich das Familienrecht gegenüber diesen unterschiedlichen Vorstellungen verhält. Dabei kann das Recht auf zwei Ebenen wirken: Bei der Bestimmung des zur Anwendung berufenen Rechts mittels der Regeln des Kollisionsrechts und bei der Lösung von Konflikten nach den Regeln des nationalen Familienrechts. So ist durch das Kollisionsrecht zu entscheiden, ob die familienrechtlichen Verhältnisse einer in Deutschland lebenden Person, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes besitzt, sich nach den Regelungen dieses Staates oder nach deutschem Recht bestimmen. Auf zweiter Ebene ist zu klären, wie sich das materielle Familienrecht, sofern es zur Anwendung gelangt, gegenüber unterschiedlichen religiösen und kulturellen Erwartungen verhält. Werden bestimmte Werte auch gegenüber abweichenden Vorstellungen durchgesetzt oder kulturell bedingte Verhaltensweisen in Familienbeziehungen toleriert?